Was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist für Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigung oftmals erschwert bis unmöglich: der Besuch einer gynäkologischen Praxis oder die Teilnahme an Früherkennungsmaßnahmen. Der zweiten Teilhabebericht der Bundesregierung führte bereits 2016 dazu aus: „Für behinderte Frauen, insbesondere mit eingeschränkter Mobilität, liegt dieser gleichwertige Zugang nach wie vor in weiter Ferne, da es derzeit nur wenige barrierefreie gynäkologische Praxen gibt (Böllert 2015), sodass behinderte Frauen oftmals lange Wartezeiten und Anfahrten haben – oder aber überhaupt keine Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen.“
Eine Studie der Universität Bielefeld unter Leitung von Prof. Dr. Claudia Hornberg zur „Evaluation von Spezialambulanzen und gynäkologischen Sprechstundenangeboten zur gynäkologischen und geburtshilflichen Versorgung von Frauen mit Behinderung“ (kurz E-GYN) kommt zum gleichen Ergebnis und bestätigt „die defizitäre gynäkologische Versorgungssituation für Frauen mit Behinderung aufgrund unzureichender wohnortnaher barrierefreier Praxen.“ Die Folge ist, dass Frauen gynäkologische Untersuchungen aufschieben oder diese gar nicht stattfinden. Dies kann schlimme Auswirkungen haben, zum Beispiel bei der Vorsorge der Krebsfrüherkennung.
Das Recht auf eine inklusive gesundheitliche Versorgung berührt insbesondere im Bereich der Gynäkologie einen besonders sensiblen Bereich. In der Broschüre „Mein Recht auf frauenärztliche Versorgung. Informationen und Tipps für Frauen und Mädchen mit Behinderungen“ des NetzwerkBüros für Frauen und Mädchen mit Behinderung/chronischer Erkrankung NRW heißt es: „Häufig können Frauen und Mädchen mit Behinderungen, insbesondere mit Lernschwierigkeiten, ihre eigene Sexualität nicht selbstbestimmt ausleben. Ihr Recht auf eigene Sexualität wird ausgeblendet. Deshalb werden sie wenig oder gar nicht über diesen Teil ihres Körpers, über Verhütung und über Schwangerschaften aufgeklärt. (…) Obwohl viele Frauen besondere Unterstützung benötigen, fehlen immer noch barrierefreie Praxen. Und nur wenige Ärztinnen und Ärzte nehmen sich mehr Zeit und Geduld, um auf ihre besonderen Bedürfnisse als Frau oder Mädchen mit Behinderungen einzugehen. Dies ist aber bei der frauenärztlichen Versorgung besonders wichtig. Schließlich geht es um intime Themen wie Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft.“
Die Forderung nach einer Barrierefreiheit der Praxen bezieht sich dabei nicht nur auf die Zugänge per Aufzug oder Rampe, sondern auch die Beschaffenheit z.B. des Untersuchungsstuhls, der Umkleiden oder Toiletten, der Zugänglichkeit von Informationen auf der Website oder Erläuterungen in einfacher Sprache. Insbesondere geht um eine Sensibilisierung des ärztlichen und pflegerischen Personals für die Fragen und Bedürfnisse von Frauen und Mädchen mit Behinderung.
Vor diesem Hintergrund beantragen wir einen Tagesordnungspunkt „Barrierefreie und inklusive gynäkologische Versorgung im Kreis Borken“ zur nächsten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Integration. Die Verwaltung wird gebeten, zu diesem Tagesordnungspunkt insbesondere die folgenden Fragen zu erläutern:
- Wie ist die aktuelle die gynäkologische Versorgungssituation von Mädchen und Frauen mit Behinderung im Kreis Borken?
- Gibt es bestehende oder geplante Maßnahmen zur Information, Sensibilisierung und Einbindung gynäkologischer Praxen und Kliniken, bzw. welche Maßnahmen zur Verbesserung mangelnder Barrierefreiheit können ergriffen werden? Gibt es hier eine Kooperation mit den Krankenkassen?
- Erfolgt neben den unmittelbaren Angeboten der Praxen selbst eine Sensibilisierung für das Thema auch in Schulen und Werkstätten, um die Zugangsbarrieren für Frauen und Mädchen mit Behinderung zu gynäkologischer Beratung, Vorsorge und Behandlung zu senken?
Dr. Claudia Jung
Daniela Kersting
Maja Becker
Gertrud Welper
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