Öffentliche Bekenntnisschulen (Grund- und Hauptschulen) sind in fast allen Bundesländern seit Jahrzehnten abgeschafft: sie gibt es nur noch in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen (dort jedoch nur im Gebiet um Oldenburg). Diese Schulen werden hinsichtlich des sächlichen und des personellen Bedarfs vollständig aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Sie sind keine Privatschulen, was allgemein nicht bekannt ist. In NRW gibt es evangelische und (überwiegend) katholische Bekenntnisschulen.
Die Schulleitung und die Lehrerschaft im Allgemeinen müssen dem jeweiligen „Schulbekenntnis“ angehören. Dies hat u.a. zur Nichtbesetzung einer Reihe von SchulleiterInnenStellen geführt und diskriminiert „falschgläubige“ und „nicht- gläubige“ LehrerInnen. Die Möglichkeiten zur Befreiung vom Religionsunterricht des „Schulbekenntnisses“ für Kinder andersgläubiger Eltern oder nicht religiöser Eltern werden zunehmend restriktiv gehandelt. Dies greift in die Religionsfreiheit der betroffenen Kinder ein und beschert eine faktisch grundgesetzwidrige Situation oder erzwingt lange Schulwege, obwohl öffentliche Schulen in Wohnungsnähe vorhanden sind.
„Aktuell wurden allein in der Stadt Bocholt für das kommende Schuljahr 2021/2022 mindestens 25 Kindern die Aufnahme an staatlichen Bekenntnisschulen verwehrt, da sie nicht im jeweiligen Schulbekenntnis getauft sind,“ kritisiert Maja Becker, schulpolitische Sprecherin der Grünen Kreistagsfraktion. Nach einem Beschluss des OVG NRW müssen Kinder, die im Schulbekenntnis getauft sind, bevorzugt aufgenommen werden, wenn es an einer Bekenntnisgrundschule mehr Anmeldungen als Plätze gibt. „Andere Kriterien der Ausbildungsordnung Grundschule, wie etwa Geschwisterkinder oder Schulweg, dürfen erst berücksichtigt werden, wenn dann noch Plätze frei sind,“ so Becker.
„Das Bekenntnis als Voraussetzung gilt nicht nur für die Schüler, sondern auch für das Kollegium und die Schulleitung,“ ergänzt Daniela Kersting, stellvertretende Vorsitzende der Grünen Kreistagsfraktion. „Bei den Lehrkräften wurde die Regelung in den letzten Jahrzehnten eher liberal gehandhabt; wer eine Bekenntnisschule leiten will, muss aber weiterhin unbedingt im Schulbekenntnis getauft sein.“
Vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme in Bocholt hat die Grüne Fraktion eine Reihe von Fragen an die Kreisverwaltung gerichtet, die in der kommenden Sitzung des Ausschusses für Bildung und Schule beantwortet werden sollen. „Wir möchten wissen, wie viele Bekenntnisschulen es aktuell im Westmünsterland gibt und wie sich ihre Zahl in den letzten Jahren entwickelt hat,“ erklärt Daniela Kersting. „Außerdem natürlich, wie vielen Schüler*innen in den vergangenen Jahren aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit der Besuch einer Schule verwehrt wurde.“
„Zudem möchten wir erfahren, wie das Schulamt die Schulen im Hinblick auf Anmeldungen von bekenntnisfreien Kindern an Bekenntnisschulen berät,“ ergänzt Maja Becker. Abschließend fragen die Grünen noch nach der Besetzung von Schulleiter*innenstellen an Bekenntnisschulen und wollen wissen, an wie vielen Schulen im Kreis kam es in den vergangenen fünf Jahren zu Problemen bei der Besetzung der Stelle der Schulleitung kam und wie viele Rektorenstellen sind aktuell unbesetzt sind.
Übrigens gibt es auch eine Petition zu diesem Thema: http://www.openpetition.de/bekenntnisschule. Die NRW-weite Initiative „kurze Beine – kurze Wege“ beschäftigt sich schon seit längerem mit dem Thema und setzt sich dafür ein, dass öffentliche Schulen auch allen Kindern (und Lehrern) offenstehen.