Extremismus und Rassismus bekämpfen – Demokratieförderung im Kreis Borken

Gemeinsamer Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und UWG/Stadtpartei im Kreistag Borken zu den Haushaltsberatungen 2024.

Der Kreistag Borken hat sich im Rahmen der Fortschreibung des Kreisentwicklungsprogramms Kompass 2035 das Ziel gesetzt, politische Bildung und Demokratieförderung stärker zu unterstützen und auszubauen. Vor diesem Hintergrund wird die Kreisverwaltung beauftragt:

  1. das Handlungskonzept mit dem Arbeitstitel EXTRA vom Kommunalen Integrationszentrum Kreis Steinfurt mit seinen Handlungsempfehlungen für den Kreis Borken zu übernehmen
  2. die Situation von politischem und religiös begründetem Extremismus sowie Rassismus und Antisemitismus im Kreisgebiet systematisch zu erfassen, z.B. durch Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Zick
  3. beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu prüfen, wie die Modalitäten der dritten Förderperiode des Bundesprogramm „Demokratie leben!“ aussehen werden
  4. bei einer Fortsetzung des Bundesprogramm „Demokratie leben!“ die Maximalförderung gemäß Förderrichtlinie zu beantragen und die entsprechende Eigenbeteiligung einzuplanen
  5. auch unabhängig und vor Beginn der nächsten Förderungsperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ die aktuell dort vorgegebenen Strukturen schon jetzt 2024 aufzubauen:
    1. Einrichtung einer Koordinierungs- und Fachstelle mit 0,5 VZÄ
    1. ein federführendes Koordinierungsamt mit 0,5 VZÄ
    1. Bildung eines Aktions- und Initiativfonds mit 50.000 €
    1. Bildung eines Begleitausschusses
    1. Bildung eines Jugendforums

Mehr- oder Mindererträge/-aufwendungen: + 5.000,00 Euro

Begründung:

Rassistische, antisemitische, extremistische und andere anti-demokratische Tendenzen sowie Verschwörungstheorien von links und rechts sowie die Ausgrenzung von Minderheiten nehmen in der Gesellschaft einen immer breiteren Raum ein. (Kompass 2025, Punkt 8 Politische Bildung, S. 67)

Auf diese Entwicklung wies aktuell noch einmal Prof. Dr. Zick auf der 10. Bildungskonferenz im Kreis Borken am 20. November 2023 hin. Rassistische, antisemitische, völkische oder andere antidemokratische Einstellungen würden sich nach Umfragewerten zunehmend auch in der politischen, „distanzierten“ Mitte finden. Professor Zick führte aus, dass dem mit gezielten Maßnahmen entgegen gewirkt werden kann und wenn in Prävention investiert wird, ist die Bindung an Demokratie zunimmt. In seinem Vortrag im Rahmen der Bildungskonferenz 2023 des Kreises Borken sagte Professor Zick, dass die aktuelle Krisensituation, die von den Folgen der Pandemie, des Klimawandels, der Inflation, dem Krieg in der Ukraine und anderen Herausforderungen geprägt ist, sich auf distanzierte Einstellungen gegenüber der Demokratie auswirkt. Das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen sinkt und nationalistisch geprägte Gesellschafsvorstellungen werden attraktiver.

Unter diesen Gesichtspunkt ist es erforderlich, die Demokratieförderung im Kreis substanziell auszubauen. Die neu geschaffene Stelle der Extremismusberatung bei der regionalen Schulberatung, die Angebote im Kommunalen Integrationszentrum oder auch die Kooperation mit dem Projekt „Wegweiser“ des Innenministeriums NRW können nur ein erster Schritt sein. Professor Zick stellt im Rahmen seiner Veröffentlichungen da, dass Demokratie am besten geschützt wird durch eine starke Zivilgesellschaft. Diese ist fähig, frühzeitig Ideologien, die extremistisch, die Demokratie-gefährdend sind, zu erkennen. Sie hält Vorurteile gering und das Gewaltmonopol beim Staat.

Bereits im in den letzten Schulausschüssen des Kreises Borken durch Anträge und Wortbeiträge der UWG, Bündnis 90/die Grünen und SPD und auch auf der 10. Bildungskonferenz durch Wortbeiträge von Fachbereichsleiterin Elisabeth Büning und Kreisdirektor Dr. Hörster wurde deutlich, dass sich verantwortliche Akteure im Kreis stärker für die Demokratieförderung engagieren wollen – allein schon durch den Fokus der Bildungskonferenz. Wir benötigen im Kreis ein Handlungskonzept und ein klare Struktur, wie die Ziele der Politischen Bildung und Demokratieförderung im Kompass 2035 erreicht werden können.

Bezüglich des Handlungskonzepts liefert der Kreis Steinfurt eine hervorragende vom Land NRW geförderte Mustervorlage mit seinem Konzept mit dem Arbeitstitel EXTRA gegen Extremismus, Rassismus und Antisemitismus (siehe Anlage).

Es gibt klare konzeptionelle Vorgaben wie in den jeweiligen Punkten vorgegangen werden soll.

  1. Markenzeichen Vielfalt. Demokratie als Wert sichtbar machen.
  2. Sensibilisierung für tolerante Werthaltungen.
  3. Demokratieverständnis stärken.
  4. Demokratische Handlungskompetenzen stärken.
  5. Demokratiebildung voranbringen (Querschnittsaufgabe).
  6. Wachsamkeit gegen Rassismus und Diskriminierung erhöhen.
  7. Präventionspolitik am aktuellen Wissen und Bedarf ausrichten.
  8. Qualitätsstandards. Klarheit, Struktur und Raum schaffen.
  9. Gemeinsam Verantwortlichkeiten gestalten.
  10. Perspektiven und Ressourcen ausbauen durch Förderallianzen mit Bund und Land (NRW).

Hierbei sollte der 10-Punkte-Plan mit seinen ausgeschärften Handlungsempfehlungen für den Kreis Borken kopiert und angepasst werden. (Vgl. Handlungskonzept Kreis Steinfurt, ab S. 24) Zudem bietet die Sozialraumanalyse des Kreises Steinfurt eine Orientierung, wie die Situation von politischem und religiös begründetem Extremismus sowie Rassismus und Antisemitismus im Kreisgebiet erfasst werden könnte.

Bezüglich der Struktur bietet das Bundesprogramm zur Extremismusprävention und Demokratieförderung „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das auch im Nachbarkreis Steinfurt angewendet wird, eine brauchbare Vorlage. (Vgl. https://www.demokratie-leben.de/das-programm/ueber-demokratie-leben/partnerschaften-fuer-demokratie)

Die Ziele des Bundesprogramms zur Extremismusprävention und Demokratieförderung „Demokratie leben!“ decken sich mit dem Kompass 2035 und den aktuellen Herausforderungen, die Prof. Dr. Zick so eindrücklich beschrieben hat.  Es beschreibt als Förderungsziele:

  • demokratisches Engagement vor Ort fördern und die Zivilgesellschaft stärken
  • Verfahren demokratischer Beteiligung entwickeln und etablieren
  • Öffentliches Engagement stärken (unter anderem gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie darauf bezogene Formen der Diskriminierung) und in Bezug auf alle demokratie- und rechtsstaatsfeindlichen Phänomene sensibilisieren
  • fachliche Ansätze im Rahmen unterschiedlicher Projekte umsetzen sowie Knowhow im Umgang mit den von “Demokratie leben!” bearbeiteten Herausforderungen und Problemlagen aufbauen
  • Kultur der Unterstützung und Wertschätzung des ehrenamtlichen Engagements in den Themenfeldern von “Demokratie leben!” entwickeln und Dialog zu Sicherheit und Prävention etablieren

Das Bundesprogramm zur Extremismusprävention und Demokratieförderung „Demokratie leben!“ gibt als Struktur vor:

  • Einrichtung einer Koordinierungs- und Fachstelle

Für die Umsetzung der Partnerschaften für Demokratie wird – in der Regel bei einem vor Ort verankerten zivilgesellschaftlichen Trägerverein – eine Koordinierungs- und Fachstelle eingerichtet mit 0,5 VZÄ. Zu ihren Aufgaben gehört die Gesamtkoordination der Partnerschaft für Demokratie, die inhaltlich-fachliche Beratung von Projekten, die Begleitung von Einzelmaßnahmen sowie die Koordinierung der Arbeit des Begleitausschusses und des Jugendforums.

  • Federführendes Amt

Jede Partnerschaft für Demokratie hat ein in der kommunalen Verwaltung angesiedeltes federführendes Amt. Dies kümmert sich um die ordnungsgemäße Verwendung der Fördermittel und ist die zentrale Anlaufstelle für die Koordinierungs- und Fachstelle. Es verantwortet zudem die rechtlichen und inhaltlichen Aspekte der Umsetzung der Partnerschaft. Auch hier ist eine Stelle mit 0,5 VZÄ zu schaffen.

  • Aktions- und Initiativfonds

Zur Durchführung konkreter Vorhaben stellt “Demokratie leben!” den geförderten Kreis Gelder für einen Aktions- und Initiativfonds zur Verfügung. (max. 160.000 €, Stand 1.01.2024)

  • Begleitausschuss

Darüber, welche Projektideen verwirklicht werden, entscheidet ein Begleitausschuss. Ihm gehören neben Vertreterinnen und Vertretern aus möglichst allen relevanten Ressorts der kommunalen Verwaltung und anderer staatlicher Institutionen mehrheitlich Vertreterinnen und Vertreter der lokalen Zivilgesellschaft an. Der Begleitausschuss ist das zentrale Gremium bei der Umsetzung der Partnerschaft für Demokratie.

  • Jugendforum

Ein wichtiger Aspekt der Arbeit der Partnerschaften für Demokratie sind Maßnahmen zur Partizipation, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit. So findet beispielsweise mindestens ein Mal pro Jahr eine lokale Demokratiekonferenz statt, zu der alle relevanten zivilgesellschaftlichen Akteure, entsprechende Einrichtungen und Verantwortliche aus Politik und Verwaltung eingeladen werden, um gemeinsam den Stand, die Ziele und die Ausrichtung der weiteren Arbeit in der Partnerschaft für Demokratie zu beraten und zu bestimmen.

Um die Beteiligung von jungen Menschen an den Partnerschaften für Demokratie zu stärken, werden Jugendforen eingerichtet, die von Jugendlichen selbst organisiert und geleitet werden. Damit die dort entwickelten Ideen umgesetzt werden können, erhalten die Partnerschaften für Demokratie zusätzliche Fördermittel.

Laut den aktuellen Förderrichtlinien (Stand 1.01.2024) bedeutet dies konkret, dass grundsätzlich mindestens 50,00 % der Gesamtausgaben für die Umsetzung von Aufgaben in folgenden Bereichen verwendet werden:

  • für den Aktions- und Initiativfonds zur Umsetzung von Einzelmaßnahmen,
  • für den Jugendfonds zur Partizipation und Umsetzung von Einzelmaßnahmen
  • sowie für Öffentlichkeitsarbeit, Partizipation, Vernetzung und Coaching sowie zur Erstellung einer Situations- und Ressourcenanalyse (max. 12 % der Gesamtausgaben).

Es ist noch offen, wie die Förderung ab 2025 aussehen wird.

Zu allerletzt sei auf die aktuelle Situation hinzuweisen, welche noch einmal die Bedeutung der Demokratieförderung deutlich hervorhebt. Wie Edmund Burke bereits sagte: „Für den Sieg des Bösen, reicht die Untätigkeit der Guten.“

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