Koordinationsstelle Demographischer Wandel

Gemeinsamer Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen

Beschlussvorschlag:

Einstellung einer Fachkraft zur Koordination des „Demographischen Wandels“ im Kreis Borken.

Sachdarstellung:

Die Ziele der Arbeit der Koordinationsstelle Demographischer Wandel:

Die Veränderungen durch den Demographischen Wandel berühren die Lebenssituation älterer Menschen in besonderer Weise. Es ist daher erforderlich zum einem frühen Zeitpunkt und vielfältige, fachübergreifende Maßnahmen und Initiativen in den Städten und Gemeinden zu planen, anzuregen und zu unterstützen.

Alle Anstrengungen dienen auch dem Ziel, dass insbesondere ältere Menschen bei sich verändernden Lebenssituationen in ihrem vertrauten Wohnumfeld wohnen bleiben können. Hierzu bedarf es der Unterstützung bei der Gestaltung altersgerechter und generationsübergreifender Lebensbedingungen.

Gemeinsam mit den Städten und Gemeinden des Kreises soll daher ein Angebots- und Versorgungsatlas erarbeitet werden. In den Städten und Gemeinden des Kreises gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote und Hilfsmöglichkeiten. Von Quartiersprojekten in Bocholt bis zur Nachbarschaftshilfe in Bauernschaften. An keiner Stelle ist jedoch derzeit zusammengefasst was gibt es wo? Darüber hinaus ist die Tatsache welche Angebote es an welcher Stelle gibt oft zufallsabhängig und der Initiative Einzelner oder der Träger überlassen. Letztlich kann somit festgestellt werden, wo gibt es Versorgungslücken oder Mehrfachangebote.

Die Arbeit der Koordinierungsstelle umfasst daher nicht nur die Zusammenarbeit mit den Kommunen, sondern mit Akteuren vor Ort, also auch Vereinen, Verbänden, Religionsgemeinschaften, Nachbarschaften bis hin zu Einzelinitiativen. Hier kann die Stelle auch eine Beratungs- und Unterstützungsfunktion erhalten. Mit allen Akteuren gemeinsam kann so über die Kommunen ein Austausch von Erfahrungen und Projektideen stattfinden.

Inhaltliche Schwerpunkte der Arbeit sind die Unterstützungsangebote im Bereich der „Pflege vor der Pflege“, die Unterstützung pflegender Angehörige, die Mitwirkung bei Planungen zu klimabedingten Veränderungen, von Mobilität oder anderer Infrastrukturprojekte, unter Beachtung der besonderer Bedarfe älterer Menschen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist das Thema: „Ältere Menschen und Digitalisierung“ Durch die Corona-Pandemie ist es nun auch aktueller denn je geworden. Viele ältere Menschen haben in der Zeit der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen erkannt, welche Möglichkeiten digitale Kommunikations- und Informationstechnologien ihnen bieten und diese stärker als bisher für sich genutzt. Denken wir beispielsweise an Videotelefonate mit der Familie, digitale Nachbarschaftsplattformen, um gegenseitige Hilfe und Unterstützung zu organisieren, oder Gespräche mit der Ärztin oder dem Arzt, die nun häufiger als Videosprechstunden stattfinden.

Deutlich wurde in dieser Zeit aber auch: Die Voraussetzungen für die digitale Teilhabe älterer Menschen sind noch nicht überall gegeben. Häufig fehlt es am nötigen Wissen, an ratgebender Unterstützung oder an Geld, um sich digitale Geräte anzuschaffen. Insbesondere den Kommunen kommt in diesem Feld eine wichtige Rolle zu – der Aufbau und die Verstetigung von Angeboten zur Entwicklung digitaler Kompetenzen bei älteren Menschen sollte als ein Teil der kommunalen Daseinsvorsorge betrachtet werden. Ein wichtiger Punkt ist auch, das durch die durch die Corona-Pandemie zur Zeit stark überlasteten Gesundheitsämter ältere Menschen oft überfordert sind. Ein Beispiel: Ein 86 jähriger Mann aus unseren Kreis wurde per Schnelltest positiv auf Corona getestet und bekam dann von der Teststelle eine Anschrift genannt, wo er einen PCR Test machen lassen konnte. Das Ergebnis sollte er dann auf das Handy geschickt bekommen. Nach dem Hinweis, dass er kein Handy besitzt, wurde ihm ein Zettel in die Hand mit Hinweisen in die Hand gedrückt, wie man die notwendige App installiert.

Jetzt kann der Mann sich nach 7 Tagen frei testen lassen, das hat er auch gemacht. Der Test war negativ, das Ergebnis muss er dem Gesundheitsamt des Kreises mitteilen. Dafür muss er ins Internet und eine Datei hochladen. Der Mann hat wie gesagt kein Handy, war in seinem Leben noch nie im Internet und kann dieser Aufforderung somit nicht nachkommen. Und so geht es vielen älteren Menschen.

Ziel ist es, durch eine geeignete Infrastruktur, durch ein Gesamtnetzwerk von Ärzten, Apotheken, Hilfeangeboten, Begegnungsmöglichkeiten im Wohnumfeld, dass die stationäre Unterbringung von älteren Menschen deutlich verzögern oder gar verhindern kann. Ältere Menschen sollen möglichst lange dort wohnen, wo sie möchten und wo ihr vertrautes Wohnumfeld ist.

Die Gesamtzahl älterer Menschen im Kreis Borken ist von rund 50.000 im Jahre 2000 auf mehr als 72.000 im Jahre 2020 angestiegen. Auch der Anteil älterer Menschen an der erwachsenen Gesamtbevölkerung nimmt ebenfalls deutlich zu. Er ist von 22 Prozent im Jahre 2000 auf über 30 Prozent im Jahre 2020 angestiegen. Beide Entwicklungen werden sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten fortsetzen. Darüber hinaus nimmt die Anzahl alleinstehender Haushalte auch in dieser Altersgruppe stetig zu.

Gleichzeitig sind durch die beruflichen Anforderungen und eine erhöhte Mobilität, immer mehr Familien nicht mehr in der Lage umfassende Versorgungsleitungen für ihre älteren Angehörigen zu erbringen. Schon kleiner Einschränkungen zum Beispiel im Bereich häuslichen Verrichtungen oder der Mobilität führt zu großen Problemen. Gleichzeitig wurden/werden Leistungen professioneller Anbieter zentralisiert oder eingeschränkt. Nachbarschaften sind vielfach von Hilfsgemeinschaften zu Feiergemeinschaften geworden.

Es muss davon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen der Pandemie hier eine verstärkende negative Wirkung haben werden. Immer mehr Menschen mit Unterstützungsbedarf treffen auf immer weniger Helfer/innen. Die Sicherstellung einer gesundheitlichen (somatisch und psychisch) und pflegerischen Versorgung im Kreis beginnt nicht erst mit Pflegeberatung, Altenheimen und Krankenhausplanung.

Auch unter Berücksichtigung einer besseren Gesundheit vieler älterer Menschen, wird der Bedarf an Unterstützungsleitungen stark zunehmen. Wenn diese vor Ort nicht vorhanden sind, kann dies zu einem erheblichen Verlust von Lebensqualität für ältere Menschen führen.

In vielen Städten und Gemeinden des Kreises sind in den vergangenen Jahren private, kommunale und vor allem von Vereinen und Verbänden initiierte Projekte entstanden. Es ist derzeit jedoch nicht sichergestellt, dass die notwendigen Hilfen in allen Gemeinden oder Stadtteilen angeboten werden (können). Darüber hinaus soll die Koordinierungsstelle nicht zuletzt in die Zukunft arbeiten. Lösungen müssen jeweils für das Wohnumfeld der Menschen passend sein. Urban geprägte Lebenssituationen wie in Bocholt benötigen andere Antworten als ursprünglich ländlich geprägte Bauernschaften. Die Bandbreite der Bedarfe ist sehr groß und reicht u.a. von Rollatorentraining, E-Bike Training oder Schulungen für die Benutzung des ÖPNV und Bedienung und Nutzung eines Smartphone über Einkaufshilfen bis zu Wohnungstauschbörsen und Hilfen für pflegende Angehörige sowie Unterstützung von Selbsthilfeinitiativen.

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