Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Zwicker,
in der Verbandsversammlung des Zweckverbands Mobilität Münsterland (ZVM) am 9. Dezember 2024 wurde die Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Bocholt–Borken–Coesfeld(–Münster) vorgestellt. Die Studie kommt in fünf von sechs untersuchten Szenarien zu einem Nutzen-Kosten-Indikator (NKI) von lediglich 0,2 bis 0,7, was deutlich unter dem für eine wirtschaftlich sinnvolle Reaktivierung erforderlichen Wert von über 1,0 liegt.
Die hohen Kosten werden insbesondere durch Trogbauwerke verursacht, deren Errichtung das Gutachten als notwendige Voraussetzung für eine Reaktivierung der Strecke vorsieht. An der Richtigkeit dieser Feststellungen durch die Gutachter bestehen erhebliche Zweifel, da aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechungen von BVerwG und BGH sowie die analog anzuwendende Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums zur Reaktivierung der Almetalbahn nicht berücksichtigt wurden. Zudem räumten die Gutachter ein, nur deswegen die teure Lösung mit den Trogbauwerken präsentiert zu haben, da die Bürgermeister der Städte Bocholt und Rhede ihnen gegenüber entsprechende Wünsche geäußert hätten. Im Lichte dieser Erkenntnisse hat der ZVM den NWL beauftragt, die gutachterlichen Aussagen bezüglich der Troglagen zu überprüfen und richtig zu stellen. Bis heute liegt jedoch keine Antwort des NWL vor, ebenso wie eine vollständige schriftliche Ausarbeitung des Gutachtens nach wie vor fehlt und nur eine Kurzfassung des Gutachtens veröffentlicht wurde.
Daneben sind weitere methodische Mängel im Gutachten bekannt geworden. Hierzu zählen die fehlerhafte Übertragung des Bewertungsverfahrens von 2016 auf 2016+, unrealistisch hohe Fahrkostenansätze und ein fehlerhaftes Prognosemodell. Angesichts dieser Unstimmigkeiten kann das Gutachten keine belastbare Grundlage für eine politische Entscheidung über die Reaktivierung der Bahnstrecke sein.
Aus Sicht unserer Fraktion entsteht der Eindruck, dass durch fehlerhafte Grundannahmen und überzogene Kostenschätzungen bewusst oder fahrlässig eine wirtschaftliche Reaktivierung der Strecke verhindert werden soll. Dies halten wir für inakzeptabel – auch angesichts der massiven verkehrs-, klima- und strukturpolitischen Chancen, die eine Reaktivierung dieser wichtigen Schienenverbindung bieten würde.
Vor diesem Hintergrund bitten wir um die schriftliche Beantwortung folgender Fragen zur kommenden Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Bauen:
- Liegt der Kreisverwaltung eine Stellungnahme des NWL zu der vom ZVM beauftragten Überprüfung der Notwendigkeit von Trogbauwerken vor?
- War der Kreisverwaltung bekannt, dass die Trogbauwerke Eingang in das Gutachten gefunden haben, da die Bürgermeister von Rhede und Bocholt sich diese besonders kostenintensive Lösung gewünscht haben?
- Teilt die Kreisverwaltung die Einschätzung, dass Gutachten grundsätzlich aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung und rechtliche Vorgaben der zuständigen Bundes- und Landesbehörden berücksichtigen sollten?
- Welche Schritte unternimmt die Kreisverwaltung, um eine vollständige, transparente und nachvollziehbare Offenlegung der gutachterlichen Berechnungen und Methodik zu erwirken, damit die Politik wie auch die Bürger*innen des Kreises sich ein objektives Bild von den Möglichkeiten zur Reaktivierung der Bahnstrecke machen können?
- Teilt die Verwaltung unsere Auffassung, dass aufgrund der methodischen Mängel und fehlerhaften Annahmen eine objektive Entscheidungsfindung über die Reaktivierung der Bahnstrecke mit dem vorgelegten Gutachten nicht möglich ist und eine zeitnah Neuberechnung der Reaktivierungskosten erfolgen muss?
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