Haushaltsrede 2021

Für die grüne Kreistagsfraktion hat unser Fraktionsvorsitzender Jens Steiner gestern die Haushaltsrede zur Verabschiedung des Kreishaushalts 2021 gehalten. Die allgemeinen Rahmendaten des Haushalts treffen die Zustimmung der Grünen Kreistagsfraktion. Da es gelungen ist, im Rahmen der Haushaltsberatungen substanzielle Verbesserungen beim Umwelt und Klimaschutz durchzusetzen und auch unsere Anträge zur Aktualisierung und Fortschreibung des Kreisentwicklungsprogramms wie auch zur künftigen Übertragung von Sitzungen des Kreistags im Internet angenommen wurden, haben die GRÜNEN dem Haushalt zugestimmt. Kritik übte die Fraktion vor allem an der Weigerung der ‘nicht mehr ganz so großen Koalition’ aus CDU uns SPD einen Fonds zur Hilfe für Kulturschaffende in Zeiten der Corona-Pandemie einzurichten sowie daran Mittel für einen Ideenwettbewerb für einen Online-Marktplatz im Kreis bereitzustellen, um dem Einzelhandel zu helfen. Zudem bemängelte die Fraktion die Entscheidung, Ausschreibungen in Kantinenbetrieben nicht stärker auf die regionale Landwirtschaft und Biobetriebe auszurichten.

Rede des Fraktionsvorsitzenden Jens Steiner für die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zur Verabschiedung des Kreishaushalts 2021 am 11. März 2021.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Zwicker,
sehr geehrter Kreiskämmerer Kersting,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren!

Wir erleben derzeit ungewöhnliche Beratungen in einer ungewöhnlichen Zeit. Wenn vor einem Jahr jemand in eine Glaskugel geschaut hätte und uns vorausgesagt hätte, was die Welt in 2020 für eine Pandemie erleben würde – er wäre nicht ernst genommen worden und man hätte das unter „Fake News“ verbucht.

Diese Pandemie hat uns aufgezeigt, wie wichtig die Gesundheitsämter für uns alle sind. Daher möchte ich Sie, Herr Landrat, bitten unseren Dank für die geleistete engagierte (Mehr-) Arbeit in unserem Gesundheitsamt, aber auch in der gesamten Kreisverwaltung an die Belegschaft weiterzuleiten. Hut ab und ein großes Dankeschön an dieser Stelle auch an alle Beschäftigten in den Krankenhäusern, den Altenheimen und im öffentlichen Gesundheitsdienst, die trotzdem einen großartigen Job gemacht haben und noch immer machen!

Wir wünschen uns alle sehnlichst, dass wir in diesem Jahr den Weg zurück in die Normalität finden. Erst dann dürften die sozialen und wirtschaftlichen Schäden, die Corona angerichtet hat, und auch die Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen allmählich sichtbar werden. Wir werden erst im Laufe des Jahres abschätzen können, wie stark die Gewerbesteuer bei den Städten einbricht. Bund und Land haben je zur Hälfte die Gewerbesteuerausfälle im letzten Jahr kompensiert, für 2021 gibt es solche Zusagen bislang nicht. Auch beim LWL in Münster ziehen düstere finanzwirtschaftliche Wolken auf: Auf einen Nachtrag zum Doppelhaushalt 2020/2021 will man verzichten, aber für das Haushaltsjahr 2022 hat man bereits angekündigt, den Hebesatz zur Landschaftsumlage infolge der pandemiebedingten Finanzschäden deutlich anheben zu müssen.

Es ist deshalb erfreulich, dass der Hebesatz der Kreisumlage 2021 auf 24 Prozentpunkte sinken soll – eine Entscheidung, die wir ausdrücklich mittragen. Aber machen wir uns nichts vor, diese Entlastung gelingt vor allem durch das zusätzliche Geld aus Berlin, das wir dauerhaft für die Kosten der Unterkunft erhalten. Und darüber hinaus durch einen maßvollen Einsatz der Ausgleichsrücklage, die uns noch als Schwankungsreserve zur Verfügung steht.

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nicht nur die Coronakrise, auch die Klimakrise – die von über drei Viertel der Deutschen als globaler Notfall betrachtet wird – erfordert ein beherztes und fokussiertes Krisenmanagement. Schließlich sind die ersten Auswirkungen der Klimakrise auch bei uns im Kreis Borken deutlich zu erkennen. Egal ob Energiewende, Verkehrswende, Wärmewende oder Agrarwende – in allen Bereichen kommen wir kaum voran und es fehlen im Haushalt die dringend benötigten Impulse!

Dabei ist es nicht so, dass wir beim Klimaschutz bisher untätig gewesen sind. Wir schreiben gerade unser Klimaschutzkonzept fort – das wir als einer der ersten Kreise im Land überhaupt hatten – und wir sind beim EEA ganz vorne mit dabei und jüngst erst wieder mit Gold ausgezeichnet worden. Stolz sein auf die Erfolge von gestern ist das eine! Doch wir müssen noch viel mehr tun! Wir brauchen eine Strategie nach vorne mit überprüfbaren Zielen. Wir müssen beim Klimaschutz mehr erreichen, wenn wir nicht als die Generation in die Geschichte eingehen wollen, die es nicht geschafft hat, die Erderhitzung abzuwenden.

Ich bin mir bewusst, dass wir GRÜNE manche von Ihnen mit diesem Thema nerven, weil wir beständig den Finger in die Wunde legen: in den Stadt- und Gemeinderäten wie im Kreistag. Trotz Pandemie vergeht kein Tag, an dem der Klimawandel nicht Thema in den Medien ist; kein Tag, an dem die Wissenschaft nicht ein Schreckensszenario malt, was auf uns – mehr noch auf unsere Kinder – zukommt, wenn wir untätig sind. Corona hat uns eindringlich gezeigt, wie sich globale Krisen anfühlen. Wir müssen uns bewusst sein, dass der Klimawandel weitaus größere Gefahren birgt als die gegenwärtige Pandemie.

Aber: Welche neuen Impulse hält dieser Haushalt für den Klimaschutz bereit? Wasserstoff! Wir wollen gemeinsam mit den Münsterlandkreisen eine Studie erstellen lassen. Das ist schön – aber zu wenig und zu zögerlich! Was wir wirklich dringend brauchen, ist ein konsequenter und rascher Ausbau der Erneuerbaren Energien! Den nur mit erneuerbarer Stromproduktion wird der Wasserstoff auch grün! Leider enthält der vorgelegte Haushalt keine Instrumente, die den dringend erforderlichen Ausbau von Wind und PV-Anlagen angemessen unterstützen würde. Im Gegenteil, unseren Antrag, aktiv zu werden, um zumindest einen Rückbau der Anlagen zu verhindern, die nun aus der EEG-Förderung fallen, hat die nicht mehr ganz so große Koalition aus CDU und SPD hier abgelehnt.

Auch unser Vorschlag für einen Klimafonds, der direkt Projekte von Bürger*innen, Vereinen und Unternehmen unterstützt, haben SPD und CDU im Umweltausschuss zunächst abgelehnt. Ich bin froh, dass es in der Folge doch noch gelungen ist, einen gemeinsamen Vorschlag mit der CDU zu verabreden. Unter dem Dach der neuen Allianz für den Klimaschutz wird das neue Förderprogramm nun eingerichtet. Dass beim Thema Klimaschutz bei der CDU nicht sofort jeder Vorschlag auf Gegenliebe stößt, daran haben wir uns längst gewöhnt. Und wie in diesem Fall gelingt es ja doch immer wieder, gemeinsame Lösungen zu finden. Gewundert hat uns allerdings, dass die SPD beim Thema Klimaschutz so auf der Bremse steht. Hat doch die SPD den Klimaschutz in Berlin doch gerade erst zur Zukunftsaufgabe und zum zentralen Thema für die Bundestagswahl erklärt. Aber bei den Genossen fällt Reden und Handeln ja gerne auseinander, wenn man dafür mit der CDU abstimmen darf.

Wir freuen uns zudem darüber, dass unser Antrag, der Kreis solle sich beim Land als Öko-Modellregion bewerben, beschlossen wurde. Gemeinsam mit den anderen Münsterlandkreisen werden wir nun eine Bewerbung auf den Weg bringen. Nicht erst die Pandemie zeigt, dass sich das Verhalten der Verbraucher verändert hat. Regional einkaufen, nachhaltig erzeugte Lebensmittel, möglichst frei von Schadstoffen – all das wird den Verbraucherinnen und Verbraucher immer wichtiger. Wenn das Münsterland als Öko-Modellregion anerkannt wird, werden wir mit den dann geförderten Regionalmanagern eine enge Vernetzung zwischen Erzeugern und Verbrauchern schaffen.

Umso unverständlicher ist da, dass die CDU/SPD Koalition unseren Antrag, für Ausschreibungen von Kantinen ein Konzept zu entwickeln, in dem regionale, faire und biologische Mindestanforderungen definiert und eine kontinuierliche Steigerung dieser Produkte festgesetzt wird, abgelehnt hat. Die CSU im tiefsten Bayern bekommt das hin, aber für den Kreis Borken scheint das noch zu modern. Und das obwohl – Sie ahnen es – die SPD natürlich auch das im Bundestagswahlprogramm hat.

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

CDU und SPD sind sich ebenfalls einig, weiter Geld in den Flughafen Münster-Osnabrück zu pumpen. Wir halten dieses Fass ohne Boden – ökologisch und ökonomisch betrachtet – nicht für zukunftsfähig und sehen mit Bedauern, was man mit diesem Geld an anderer Stelle machen könnte. Und auch diesmal kann uns niemand garantieren, dass wir mit dem nun beschlossenen Zuschuss dem Flughafen dauerhaft über die Runden helfen. Der Kollege Schulte glaubt ja sogar noch daran, dass der Flughafen das Geld irgendwann zurückzahlt. Das ist aber ungefähr so wahrscheinlich, wie das Schalke 04 in diesem Jahr Deutscher Meister wird.

Was wirklich ansteht ist eine vernetzte und nachhaltige Mobilität, wo Bahn, Bus, Fahrrad und Fußverkehr eine größere Rolle spielen. Nicht nur wegen des Klimaschutzes brauchen wir eine Autokorrektur: Eine Abkehr von der Selbstverständlichkeit, bei Mobilität zunächst an das eigene Auto zu denken. Dazu gehört die Steigerung des Radverkehrs und der Ausbau des ÖPNV. Was erforderlich ist, um den ÖV-Anteil im Modal-Split zu steigern, liegt auf der Hand: eine übersichtliche Tarifstruktur, günstige Fahrpreise, enge Taktung des Angebotes, gute Aufenthaltsqualität und Service an den Haltestellen. Wir müssen weiterhin daran arbeiten, den Menschen im Kreis Borken zu ermöglichen, ihre persönliche Mobilität unabhängiger vom Auto zu gestalten. Wir müssen Alternativen schaffen, wir müssen die Feinverteilung bis in die Außenbereiche hinein intelligent und bedarfsorientiert gestalten. Dazu brauchen wir ein ambitioniertes Mobilitätskonzept mit mutigen Zielen.

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

die Coronakrise ist nicht nur eine starke Belastung für unser Gesundheitssystem und für unser gesellschaftliches Leben, sondern selbstverständlich auch für die örtliche Wirtschaft. Einzelhandel, Dienstleister und Kulturschaffende sind in große Bedrängnis geraten. Verschärft wird deren Lage zum Teil noch durch die Konkurrenz aus dem Internet. Diesem Klammergriff werden die betroffenen Betriebe nur durch neue Konzepte, neue Kooperationsformen und neue Strategien entkommen können. Und: diese neuen Ideen müssen sehr bald und nicht „später einmal“ entwickelt und umgesetzt werden.

Es ist daher bedauerlich, dass wir heute zwar gemeinsam eine Bewerbung für das Smart City Förderprogramm des Bundes auf den Weg bringen, die GroKo aus CDU und SPD aber unseren Antrag auf einen Ideenwettbewerb für einen Online-Marktplatz für das Westmünsterland abbügeln wird. Es wird niemanden überraschen, dass die SPD in ihrem neuen Wahlprogramm verspricht „Plattformen für den regionalen Handel und regionale Dienstleistungen fördern.“ Aber ich habe so langsam das Gefühl, dass ich der Einzige im Saal bin, der den Programmentwurf der SPD gelesen hat.

Gleiches gilt für unseren Vorschlag einen Sonderfonds für Kulturschaffende einzurichten, die ja ganz besonders unter der Corona-Pandemie zu leiden haben. Sie wollen gerne arbeiten, dürfen aber nicht. Hier zumindest einen kleinen Beitrag als Kreis zu leisten und neue Online-Formate in der Krise zu unterstützen wäre ein gutes und richtiges Signal gewesen. SPD und CDU hatten zwar ‚viel Sympathie‘ für das Anliegen, haben es aber sicherheitshalber dann doch mal abgelehnt. Besonders enttäuscht bin ich, dass obwohl im Kulturausschuss durch die Verwaltung zugesichert wurde, noch einmal wenigstens auf die aktuell bestehende Fördermöglichkeiten hinzuweisen, bisher keine Öffentlichkeitsarbeit dazu erfolgt ist. Nur der Vollständigkeit halber: Natürlich findet sich auch dieses Thema im Wahlprogramm der SPD. Und bevor jetzt irgendein Schlaumeier sagt, wir hätten bei der SPD abgeschrieben, die haben ihren Programmentwurf nach unseren Anträgen veröffentlicht…

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Corona-Pandemie hat als Treibmittel die Digitalisierung in den Kommunen angeschoben. Es hat sich gezeigt, was plötzlich alles geht, wenn es nur muss. Home-Office, digitale Sitzungen, Ausstattung der Schulen – diesen Schub müssen wir aufgreifen und die Digitalisierung der Prozesse in der Verwaltung weiter nach vorne bringen. Denn Digitalisierung ist weder Spielerei noch Luxus, sondern ein Pflichtprogramm für die öffentliche Verwaltung. Daher unterstützen wir auch den Antrag der CDU auf drei zusätzliche Stellen im Bereich der Digitalisierung. Auch wenn er so unkonkret formuliert ist, dass die Verwaltung selbst im Kreisausschuss noch Mühe hatte, zu erklären, wo genau das zusätzliche Personal eingesetzt wird.

Das Westmünsterland wird durch die Digitalisierung noch attraktiver werden. So kann der ländliche Raum gegenüber den Städten sogar in Vorteil geraten. Attraktive Arbeitsmöglichkeiten in einem gesunden Umfeld und mit bezahlbarem Wohnraum. Die Möglichkeiten der Digitalisierung in fast allen Lebensbereichen, wie etwa der Telemedizin oder der besseren Vernetzung des ÖPNV, müssen wir konsequent nutzen und sie für alle Bürgerinnen und Bürger erlebbar machen. In diesem Zusammenhang freuen wir uns auch darüber, dass unser Antrag, die Sitzungen des Kreistags künftig im Internet zu übertragen, angenommen wurde.

Von John F. Kennedy stammt das Zitat „Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit.“ Diesem Gedanken folgend ist es richtig, dass wir uns jetzt vornehmen, unser Kreisentwicklungsprogramm fortzuschreiben und neu zu justieren. Wir freuen uns bereits darauf, in diesem Jahr mit ihnen kritisch-konstruktiv über den richtigen Weg für den Kreis Borken in den kommenden Jahren zu debattieren.

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,

wir GRÜNEN haben es Ihnen im vergangenen Jahr nicht immer leicht gemacht. Das ist aber auch nicht unsere Aufgabe. Gerade deshalb möchte ich an dieser Stelle auch einmal betonen, dass wir absolut keinen Grund haben, uns über Ihre Arbeit zu beschweren – ganz im Gegenteil. Für die gute und konstruktive Zusammenarbeit möchte ich mich im Namen meiner gesamten Fraktion herzlich bedanken. Insbesondere gilt unser Dank dem Kreiskämmerer und seinem Team für die Aufstellung des Haushalts und das gute Miteinander in den Haushaltsberatungen.

Aus grüner Sicht weist der Kreishaushalt 2021 Licht und Schatten auf. Insgesamt sind wir mit dem Haushalt für das neue Jahr 2021 jedoch gut aufgestellt und nachdem es uns gelungen ist, vor allem im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes substanzielle Verbesserungen in den Beratungen zu erreichen, wird die GRÜNE Fraktion dem Haushalt zustimmen.

Eine Anmerkung zum Schluss:

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich finde die Sitzungskultur ‚unter Corona‘ schwierig: in der Fraktion zusammenzuwachsen, sich absprechen und Kontakte über Fraktionsgrenzen hinweg zu pflegen ist unter den gegebenen Bedingungen mühsam. Ich hoffe sehr, dass das nächste Jahr besser wird: Dass der Kreistag wieder im Kreishaus tagen kann und nach den Sitzungen auch wieder ein Glas Bier miteinander trinken können.

Bleiben wir für 2021 optimistisch, gesund und guten Mutes!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld

Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

Verwandte Artikel