Im Rahmen einer Sondersitzung befasste sich der Ausschuss für Natur, Umwelt, Landwirtschaft und Klimaschutz des Kreistags gestern mit der lebenswichtigen Ressource Wasser. Gleich zwei wissenschaftlich hochkarätige Referenten berichteten den Kreispolitikern über die grundlegenden Veränderungen, die der Klimawandel auf den Wasserhaushalt hat.
Dr.-Ing. Frank Herrmann vom Forschungszentrum Jülich widmete sich der Frage, welchen Einfluss der Klimawandel auf den regionalen Landschaftswasserhaushalt hat. Die Modelle zeigen, dass es künftig zu einer erhöhten Grundwasserneubildung im Winterhalbjahr und einer Verringerung der Grundwasserneubildung im Sommerhalbjahr kommen wird. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) berechnet für einzelne Grundwassermessstationen größtenteils fallende Trends der Grundwasserstände. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse damit, dass der Klimawandel als solches sehr wahrscheinlich zu keiner signifikanten Verringerung der Grundwasserneubildung führen wird. Bezieht man jedoch in diese Berechnungen den menschlichen Eingriff in den Wasserhaushalt mit ein, so wird deutlich, dass Sommer-Dürren den Bedarf an Grundwasser zum Beispiel für die Landwirtschaft und die Industrie erhöhen, was bei gleichbleibender jährlicher Grundwasserneubildung an der Ressource Grundwasser zehrt. Deshalb sind Anpassungsmaßnahmen wichtig, um den Wasserhaushalt in der Balance zu halten. Dr. Hermann empfahl der Kreispolitik dringend, in einer regionalen Studie konkrete Einflussfaktoren auf die Grundwasserbildung zu untersuchen, um ein Instrument für gezielte Planungen und Maßnahmen zu entwickeln. Insbesondere mit Blick auf genehmigte Grundwasserentnahmen betonte er, dass solche Genehmigungen auf Berechnungen auf wassereichen Zeiten basierten und die aktuelle wissenschaftliche Forschung dagegen empfehle, Genehmigungen dieser Art an Minimumdekaden zu orientieren. Ein solches Vorgehen ist ein wirksamer Schutz vor einer Überforderung des Wasserhaushaltes.
Dem schloss sich auch Prof. Dr.-Ing. André Niemann von der Universität Duisburg-Essen an. Er befasste sich im Anschluss mit Perspektiven und Maßnahmen zu Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer. Prof. Niemann stellte eindrucksvoll dar, wie die durch den Menschen verursachte globale Erderwärmung dramatische Auswirkungen auf die Gewässer und damit auch den Menschen und die Biodiversität hat. Wärmere Temperaturen, erhöhte Verdunstung sowie ein verändertes Niederschlagsregime beeinflussen den Wasserhaushalt direkt. Als Folge des Klimawandels treten daher in den Sommermonaten immer häufiger Dürren und Hitzewellen auf, Flüsse führen zeitweise extremes Niedrigwasser, die Grundwasserspiegel sinken. Gleichzeitig häufen sich bedingt durch die Veränderung des Jetstreams Hochwasser- und Starkregenereignisse. Er empfahl der Kreispolitik eine wasserhaushaltssensible Flächennutzungsplanung sowie Wassernutzungskonzepte in der Fläche zu erstellen.
Erfreulicherweise schlossen sich die Fraktionen parteiübergreifend den Empfehlungen der Wissenschaftler an. Für die Grüne Kreistagsfraktion betonten der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses Heinrich Rülfing sowie unser Fraktionsvorsitzender Jens Steiner, dass wir die Risikofaktoren für den Wasserhaushalt ernstgenommen werden müssten. Das Weihnachtshochwasser diesen Jahres und die heißen Sommer der vergangenen Jahre – inklusive einer Untersagung der Wasserentnahme aus Oberflächengewässern – haben deutlich gemacht, der Klimawandel ist keine abstrakte Bedrohung, er ist auch im Kreis Borken längst Realität. Insbesondere die gerechte Aufteilung des Wassers und Wassernutzungskonzepte seien notwendig. Es könne nicht sein, dass einzelne industrielle Nutzer, wie etwa die SGW sechs Millionen Kubikmeter Grundwasser entnehmen und damit den Wasserhaushalt nachhaltig schädigen. Schon heute, so betonte Jens Steiner, sei es „ein schlechter Witz“, dass infolge von Wasserentnahmen der SGW regelmäßig der Ölbach in Vreden trockenfalle, und die SGW dann noch mehr Grundwasser entnehme, um es in den von ihr selbst trockengelegten Bach zu pumpen, um eine Eindruck von Normalität herzustellen. Das sei keine Normalität, sondern absurd, sagte der Fraktionsvorsitzende.
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