Für die grüne Kreistagsfraktion hat unsere Fraktionsvorsitzende Gertrud Welper gestern die Haushaltsrede zur Verabschiedung des Kreishaushalts 2019 gehalten. Die allgemeinen Rahmendaten des Haushalts treffen die Zustimmung der Grünen Kreistagsfraktion. Insbesondere, da es uns gelungen ist, den Baumwollexpress als neue Schnellbusstrecke im Kreis in den Nahverkehrsplan zu schreiben, zusätzliche Anstrengungen des Kreises im Kampf gegen die Nitratbelastung des Grundwassers durchzusetzen und Mittel für den Tierschutz bei der Katzenschutzverordnung in den Haushalt aufzunehmen. Kritik übte die Fraktion vor allem beim Umwelt und Klimaschutz, sowie an der Weigerung der Mehrheitsfraktion, Mittel für die Verbesserung der Pflege im Kreis bereitzustellen.
Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
unser Haushalt ist solide aufgebaut und haushälterisch ohne Frage im grünen Bereich. Die Verwaltung hat ordentlich, nachvollziehbar und sauber gearbeitet; wir danken dafür unserem Kämmerer Wilfried Kersting und seinem Team! Der Hebesatz der Kreisumlage – und das ist durchaus beeindruckend – soll gegenüber dem Vorjahrshaushalt nochmals deutlich nach unten korrigiert werden. Wir haben somit weiterhin die niedrigste Umlage landesweit und geben den Städten und Gemeinden so größtmöglichen finanziellen Handlungsspielraum vor Ort.
Soweit, so gut. Doch die Zahlen allein sind letztlich nichts wert. Es kommt drauf an, wofür sie stehen. Wie unser Kreis seine Mittel einsetzt. Wir sind in der Pflicht das Westmünsterland weiter voranzubringen und nachhaltig aufzustellen. Nach Kriterien, die sozial, ökonomisch und ökologisch tragfähig sind; die eine gute Zukunft für uns und nachfolgende Generationen ermöglichen.
Mobilität, Digitalisierung, demografischer Wandel, Herausforderungen des Klimawandels und der Biodiversität, eine intakte Natur, eine gesunde, bäuerliche Landwirtschaft, Generationengerechtigkeit, das alles gehört zu einer liebens- und lebenswerten Region.
Als politisch Verantwortliche ist es unser Verfassungsauftrag, dafür zu sorgen, dass Menschen überall – ob in der Stadt oder auf dem Land – gute und gleichwertige Lebensverhältnisse vorfinden. In der Realität wird dieser Anspruch aber immer weniger eingehalten. Während die großen Städte boomen, verliert der ländliche Raum an Attraktivität.
Wenn wir es ernst meinen mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, dann müssen wir endlich den ÖPNV im Westmünsterland massiv ausbauen. Denn ohne Mobilität gibt es keine Teilhabe. Wir müssen eine flächendeckend gute Gesundheitsversorgung sicherstellen. Und wir müssen die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen. Wer – wie die Forschungsministerin Anja Karliczek von der CDU – von vornherein meint, es brauche schnelles Internet „nicht an jeder Milchkanne“, der hat die Herausforderungen unserer Region nicht verstanden!
Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
unsere Zeit ist mehr denn je geprägt von neuen Chancen und Risiken und den damit einhergehenden Herausforderungen, denen wir uns – auch auf kommunaler Ebene – stellen müssen. Diese Veränderungsprozesse beschleunigen sich stetig und die Zeit, um zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen, verkürzen sich damit auch. Auch wenn es unbequem ist, Gewohntes in Frage zu stellen, Wertmaßstäbe anzupassen und neue Lösungen für neue Herausforderungen zu suchen, sollten wir den Mut zu Veränderungen aufbringen. Dazu sind wir unseren Nachkommen und der Natur verpflichtet.
In den letzten Jahrzehnten wurde insbesondere der Jugend häufig unpolitisches Denken sowie mangelndes Engagement vorgeworfen. Die „Fridays for Future“-Bewegung spricht eine völlig andere Sprache. Viele junge Menschen sind sehr interessiert an den Themen unserer Zeit. Sie sind wütend auf eine Politik, die sich nicht engagiert für die längst überfälligen Entscheidungen im Umwelt- und Klimaschutz. Wir können es daher nur unterstützen, wenn Jugendliche – wie am vergangenen Freitag erstmals auch hier bei uns in Borken – kritisch den Finger in die Wunde legen. Sie appellieren an die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker, endlich effektive und konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz einzuleiten.
Gretas Thunbergs Engagement steckt an und das ist gut so. In rund 50 deutschen Städten gehen engagierte junge Menschen und verantwortungsvolle Bürger aller Altersgruppen für den Klimaschutz auf die Straße und setzen damit ein öffentliches Zeichen. Dieses Engagement macht Mut und freut mich sehr. Wir müssen die junge Leute ernst nehmen mit ihrem Anliegen und endlich etwas tun, damit ihre Zukunft gesichert ist, denn der Klimawandel ist längst eine reale Bedrohung.”
Deshalb erfüllt es uns mit Sorge, wenn sich der Landrat in seiner Haushaltsrede zwar darüber freut, dass der Kreis Borken bei den Erneuerbaren Energien in NRW eine Spitzenposition einnimmt, aber gleichzeitig fordert: Augenmaß beim weiteren Ausbau! Treten Sie nicht auf die Bremse, Herr Landrat, wir müssen unsere Klimaschutzpolitik konsequent weiter fortsetzen!
Es ärgert uns Grüne, dass wir dabei wertvolle Zeit verlieren, weil die Stelle der Klimaschutzmanagerin nunmehr seit gut einem Jahr nicht besetzt ist. Für die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes steht dieses Jahr weniger Geld zur Verfügung und wir warten auf eine weitere Förderzusage. Hier können und müssen wir noch besser werden!
Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei uns in NRW hat sich die Durchschnittstemperatur bereits um 1,5 Grad erhöht. Wir wissen also: Der Klimawandel ist da! Wir müssen uns gegen die Folgen des Klimawandels wappnen. Ich denke, dass spätestens seit letztem Sommer in den Köpfen angekommen ist, wie wichtig Klimafolgenanpassung in Zukunft sein wird. Klar ist aber auch: Den weiteren Klimawandel aufzuhalten ist immer besser, als sich im Nachhinein gegen den Klimawandel zu wappnen. Beim Klimaschutz gilt: Die Kosten des Nicht-Handelns sind immer höher als die Kosten des Handelns.
Wenn wir eine Häufung von Wetterextremen in Zukunft verhindern und die Pariser Klimaziele erreichen wollen, müssen wir mehr tun als bisher. Dazu gehören der Ausstieg aus der Kohlekraft, eine klimafreundlichere Mobilität, der Ausbau der Erneuerbaren und ein konsequenter Schutz der Natur. Denn gerade Wälder, Wiesen und Moore sind wichtig für ein stabiles Klima.
Der trockene Sommer führte zu unübersehbaren Ernteeinbußen in der hiesigen Landwirtschaft. Der Trend zur künstlichen Ackerberegnung ist unübersehbar. Aber: Was für den einen die Lösung zu sein scheint, schafft dem anderen Probleme: Wasserbrunnen, die seit Menschengedenken unerschöpflich einen ganzen Bauernhof versorgen konnten, liefern jetzt auf einmal nicht mehr genug Wasser für einen vierköpfigen Haushalt – ohne Kühe oder Schweine! Wir müssen steuernd eingreifen, damit nicht ein Windhundrennen um den Zugang zum Grundwasser beginnt – und am Ende wir alle als Verlierer in einem vertrockneten Münsterland leben müssen.
Neben dem quantitativen haben wir aber auch ein qualitatives Grundwasserproblem. Wir Grünen haben wiederholt auf die Nitratbelastung unserer hiesigen Grundwasserkörper hingewiesen. In diesem Sommer wurde die Bundesrepublik Deutschland wegen der Nichtumsetzung der EU-Nitratrichtlinie gerügt. Deutschland hat schlicht und einfach zu wenig unternommen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen.
Wir freuen uns daher, dass wir zumindest Einvernehmen darüber erzielen konnten, jetzt nach dem Vorbild des Kreises Viersen, die Kreisverwaltung zu beauftragen das Thema Nitratbelastung des Grundwassers im Kreis Borken mit den relevanten Akteuren, z.B. der Landwirtschaftskammer, der Bezirksregierung Münster, dem LANUV NRW, dem Fachbereich Gesundheit, den Betreibern von Anlagen zur Trinkwassergewinnung und den Vertretern der Landwirtschaft aufzubereiten und auf dieser Grundlage für den Kreis sinnvolle Handlungsoptionen zu erarbeiten. Auch wenn der Mehrheitsfraktion natürlich wieder die Tatkraft fehlt, bereits heute auch Mittel dafür in den Haushalt einzustellen.
Ebenso fehlte der Mehrheit die Tatkraft sich im vergangenen Jahr endlich von den RWE-Aktien des Kreises zu trennen. Der Kursverfall in wenigen Stunden nach dem Gerichtsurteil zum Hambacher Forst hat eindrucksvoll gezeigt, wie gefährlich dieser Kurs ist. Der Kohleausstieg wird aber kommen und mit ihm das endgültige Ende von RWE-Dividenden-Träumen. RWE ist Europas größter Klimakiller und seine Braunkohlekraftwerke sind für ein Fünftel des CO2-Ausstoßes in Deutschland verantwortlich. Diese Aktien weiter zu halten, heißt, sich mit schuldig zu machen. Wir müssen wie mittlerweile über 1000 andere Institutionen uns endlich zum Divestment verpflichten.
Meine Damen und Herren,
alle bedauern das Insektensterben, wobei es nicht nur um unsere niedlichen Bienen, sondern um die Zukunft unserer Lebensmittelproduktion geht! Dieser Kreistag ist allerdings nicht einmal bereit, die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ zu unterzeichnen und dem Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“ e.V. beizutreten. Wir freuen uns daher sehr, dass sich der NaBu nach dem erfolgreichen Artenschutz Volksbegehren in Bayern aufgemacht hat, auch in NRW ein solches Volksbegehren auf den Weg zu bringen. Wenn es der Politik an Handlungswillen fehlt, dann müssen die Bürgerinnen und Bürger eben selbst für eine Änderung der Politik sorgen. Bayern zeigt, wie gut das funktionieren kann!
Zumindest in einer anderen Tierschutzfrage haben wir in diesem Jahr große Fortschritte erzielt. Unsere Katzenschutzverordnung ist ein wirklicher Meilenstein für den Tierschutz im Westmünsterland. Mit der Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht von Freigängerkatzen soll das Elend der freilebenden Tiere langfristig gemindert werden. Hier möchten wir uns bei der Verwaltung – insbesondere bei Elisabeth Schwenzow – wie auch bei den vielen ehrenamtlichen Tierschützerinnen und Tierschützern m Kreis für den gemeinsamen Einsatz für die Verordnung bedanken. Die Verordnung wird langfristig für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes freilebender Katzen, einen Rückgang ihrer Population und damit letztlich auch eine Entlastung der Tierheime und privater Tierschutzorganisationen sorgen. Damit führt eine Verbesserung des Tierschutzes auch zu einer Entlastung der kommunalen Haushalte, denn heute wenden die Städte und Gemeinden im Kreis jährlich mehr als 200.000 Euro für die Versorgung von Fundkatzen auf.
Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir werden heute noch die Fortschreibung des Nahverkehrsplans beschließen. Dieser bringt deutliche Verbesserungen im ÖPNV im Westmünsterland. Insbesondere freuen wir uns, dass es unserer Fraktion gelungen ist, den Baumwollexpress als neue Schnellbusverbindung mit den Nahverkehrsplan aufzunehmen. Nachdem hier im Haus erst wenig Begeisterung für diese neue Verbindung zu wecken war, ist es uns gelungen, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und die Räte entlang dieser neuen Schnellbusstrecke von der Idee zu überzeugen. Ihnen möchten wir für Ihre Unterstützung daher auch noch einmal herzlich danken!
Als Christoph Engl die Planungen für die neue Marke Münsterland im Kreisausschuss vorgestellt hat, hat er deutlich gemacht, wie wichtig eine Stärkung und Verbesserung des ÖPNV Angebots für unserer Region ist. Wir brauchen eine Verkehrspolitik, die umwelt- und klimaverträglich, barrierefrei und sozial ist und die Mobilität für alle gewährleistet. Mit der angekündigten Mobilitätskonferenz, die noch vor der Sommerpause stattfinden soll, wird ein weiterer Grundstein gelegt.
In der Verkehrsplanung der Vergangenheit wurden die Belange von PKW-Fahrern gegenüber anderen Verkehrsmitteln vorranging behandelt. Unser ÖPNV ist nach wie vor unflexibel und bietet wenig Anreize, auf den eigenen PKW zu verzichten. Weitere Innovationen müssen folgen: Bis heute kann man nicht mal ein elektronisches Ticket für einen Bus im Kreis Borken kaufen. Ein Blick in den Nachbarkreis Coesfeld, wo die Verwaltung bereits den Einsatz selbstfahrender Busse prüft zeigt, dass wir noch viel Luft nach oben haben, mutige Ideen anzugehen: Als nächstes müssen wir unseren ÖPNV flexibler machen mit kleineren Fahrzeugen und durch on-demand-Angebote. Hier müssen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung noch besser nutzen.
Meine Damen und Herren,
eine letzte Anmerkung zu der Diskussion um die Unterstützung der Ausbildung von Altenhilfepflegerinnen im Kreisausschuss in der vergangenen Woche. Völlig zu Recht hat Josef Barnekamp in der Borkener Zeitung kommentiert: „Mit gerade einmal 30.000 Euro hätte die Kreispolitik ein Zeichen setzen können.“ Der Mehrheit hier im Hause fehlte die Kraft für dieses Zeichen. Anders gesagt, wie es heute Morgen in einem Leserbrief formuliert wurde: „Hier werden definitiv Chancen vertan!“ Sogar nachdem wir Grüne die goldene Brücke gebaut hatten und einen Sperrvermerk und eine erneute Diskussion im Fachausschuss vorgeschlagen hatten konnten sie sich nicht überwinden. Dabei zeigt auch hier wieder ein Nachbarkreis, dass es geht, wenn man nur möchte. Allein Ihnen fehlt der Wille!
Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach diesen notwendigen, kritischen Anmerkungen kommen wir in der Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, dass wir aus grüner Sicht im vergangenen Jahr und auch für diesen Haushalt trotzdem eine Menge erreicht haben. Viele Weichen sind in die richtige Richtung gestellt worden. Es ist zwar nicht alles gut, aber vieles wird besser! Dem Haushaltsentwurf wird die Grüne Kreistagsfraktion daher zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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