„Keine durchgängige Zukunftsperspektive“ – Grüne lehnen Kreishaushalt 2022 ab

Für die grüne Kreistagsfraktion hat unser Fraktionsvorsitzender Jens Steiner gestern die Haushaltsrede zur Verabschiedung des Kreishaushalts 2022 gehalten. In der Haushaltsdebatte betonten alle Redner, wie schwer es vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine ist, das Für und Wider es Haushaltes des Kreises zu debattieren. In einer gemeinsamen Resolution zu Beginn der Sitzung zeigte sich der Kreistag solidarisch mit den Menschen in der Ukraine, erklärte seine Bereitschaft zu Unterstützung und Hilfe und verurteilte den völkerrechtswidrigen russischen Angriff.

Die allgemeinen Rahmendaten des Haushalts treffen die Zustimmung der Grünen Kreistagsfraktion. Jedoch gelang es nicht, im Rahmen der Haushaltsberatungen mit der CDU-Kreistagsmehrheit eine gemeinsame Basis bei wichtigen Themen des Umwelt- und Klimaschutzes, der Mobilitäts- und der Ernährungswende und der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Kreis Borken zu finden. Aus diesem Grund haben die GRÜNEN den Haushaltentwurf abgelehnt.

Im folgenden findet ihr die Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Jens Steiner für die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zur Verabschiedung des Kreishaushalts 2022 in der Sitzung des Kreistages des Kreises Borken in der Stadthalle Ahaus am 10. März 2022.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Zwicker,
sehr geehrter Kreiskämmerer Kersting,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Kreistages,
meine Damen und Herren!

zwei Jahre lang war die Corona Pandemie das beherrschende Thema in Politik und Gesellschaft. Über Nacht hat sich auf brutale Weise ein anderes Thema in unser Bewusstsein und die politische Debatte eingebrannt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Präsident Putin auf die Ukraine ist ein Angriff auf unsere Freiheit, unsere Werteordnung, die Demokratie und den Frieden in ganz Europa.

Wir alle sehen fassungslos die Bilder von flüchtenden Menschen, die ihr Hab und Gut aufgeben müssen. Wir sehen verängstigte Frauen und traumatisierte Kinder, die ihre Väter, Brüder, Freunde zurücklassen müssen, um der rücksichtslosen Aggression zu entkommen. Wir sehen die Zerstörung ganzer Wohnblöcke, brennende Ortschaften, zerstörte Infrastruktur und selbst vor Atomkraftwerken wird nicht Halt gemacht! Wir sehen frierende Menschen in U-Bahnschächten, die um ihr Leben fürchten, wir sehen kämpfende Soldaten und Zivilisten, die mit dem Mut der Verzweiflung ihr Land, ihre Freiheit verteidigen, wir sehen unermessliches Leid.

Wer von uns hat sich vorstellen können, dass so etwas in Europa noch möglich ist. Wir zeigen unsere Solidarität mit den Ukrainer*innen und erleben eine große Welle der Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft, aber nicht nur bei uns. Insbesondere in Polen – unter anderem in unserem Partnerkreis Breslau – wird großartige Hilfe geleistet. Nach dem in der Pandemie eine immer größer werdende Spaltung der Gesellschaft sichtbar wurde, erleben wir jetzt eine übergroße Solidarität. Unsere Gesellschaft steht wieder zusammen. Und das ist gut!

Wir sagen, Flüchtlinge sind uns willkommen! Alle Flüchtlinge sind willkommen, ohne Unterschied von Hautfarbe, Religion und Herkunft, auch die Flüchtlinge, die schon länger bei uns Schutz suchen und häufig unsere Solidarität vermissen müssen. Diese Geflohenen werden durch Abschiebung bedroht und aus dem Land gebracht. Das ist ungerecht und häufig unmenschlich! Wir hoffen, dass der großen Hilfsbereitschaft auch eine unbürokratische Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten folgt, wir ihnen nicht nur das Nötigste zum Leben zukommen lassen, sondern für Arbeit, Bildung in Schule und Kita, für Sprachkurse, medizinische und psychologische Unterstützung sorgen und sie aufnehmen in unsere Gemeinschaft.             

Die Pandemie scheint unter Kontrolle, aber die Spuren sind deutlich in der Gesellschaft, bei den Menschen, die diese Krise zu bewältigen haben, bei unseren Familien und vor allem bei unseren Kindern und Jugendlichen. Alle sind erschöpft. Schon ist die nächste Krise da und niemand kann sagen, welche Ausmaße sie noch annehmen wird. Wir dürfen die Jüngsten nicht wieder aus dem Blick verlieren. Sie haben eine große, zu große Last dieser Pandemie zu tragen. Und auch der Krieg wird den nachfolgenden Generationen als Belastung aufgebürdet.

Zusammenstehen auf Distanz war das Motto des ersten Lockdowns und es sollte noch immer gelten! Nur durch gemeinsames vernunftgelenktes Handeln werden wir gegen Covid-19 erfolgreich sein! Alle miteinander!

Diese tückische Viruserkrankung überrollt uns in einer vierten, sehr heftigen Welle. 100.000 Tote in der Bundesrepublik sollten doch endlich die Augen öffnen! Es ist kaum zu fassen: immer noch müssen Menschen an dieser Krankheit sterben, obwohl man sich überall impfen lassen kann und genug und kostenloser Impfstoff da ist. Ich möchte den Querdenkern zurufen: Geht nicht spazieren, geht zum Impfen!

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

bevor ich einen Blick auf einzelne Aspekte des Kreishaushaltes werfe, möchte ich ausdrücklich Kämmerer Wilfried Kersting und dem Team der Kämmerei sowie allen beteiligten Mitarbeiter*innen der Kreisverwaltung für das hohe persönliche Engagement und die fachliche Kompetenz im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsentwurfs danken.

Im vergangenen Jahr hat meine Fraktion den Kreishaushalt mitgetragen. In diesem Jahr haben wir allein oder auch gemeinsam mit anderen Fraktionen insgesamt 14 Änderungsanträge zum Haushaltsentwurf eingebracht. Zwei dieser Anträge waren erfolgreich, manch andere wurden auf kommende Sitzungen vertagt – Ausgang ungewiss – das Gros wurde jedoch von der Mehrheit abgeschmettert. Auch wenn die reinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, wird es daher niemanden hier überraschen, dass unser inhaltliches Fazit zum vorliegenden Haushalt negativ ausfällt. Von einer durchgängigen Zukunftsperspektive kann keine Rede sein. Die Grüne Fraktion wird den Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 daher ablehnen.

Wenn wir unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln einen bewohnbaren und lebenswerten Planeten Erde hinterlassen wollen, brauchen wir nachhaltiges Handeln! Vor diesem Hintergrund hat uns sehr gefreut, dass der Kreistag am 16.12.2021 einstimmig eine umfassende Berücksichtigung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie im Rahmen der künftigen Kreisentwicklung beschloss. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie basiert auf der im Jahr 2015 verabschiedeten „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen mit dem Oberziel, die Lebenssituation aller Menschen zu verbessern und gleichzeitig unseren Planeten zu erhalten. Sie gliedert sich in 17 Nachhaltigkeitsziele („Sustainable Development Goals“ – SDG). Mit ihnen lassen sich sowohl soziale, ökonomische als auch ökologische Zielsetzungen verknüpfen sowie strukturiert und detailliert planen, umsetzen und evaluieren.

Diese Nachhaltigkeitsziele definieren daher auch für den Kreis Borken die Eckwerte für eine nachhaltige Entwicklung. Zwar hat sich die Mehrheit entschieden, die von uns als Basis für die Ausrichtung an den Nachhaltigkeitszielen geforderte Gemeinwohlbilanz für den Kreis Borken abzulehnen. Um ihnen die Nachhaltigkeitsziele jedoch vertrauter zu machen, werde ich diese in der Folge als Kapitelüberschriften vortragen. Und eine zweite Vergleichsgröße will ich hinzuziehen, eine die dem Landrat an vielen Stellen ebenfalls sehr wichtig erscheint: Der Blick ins Münsterland. Bei dem gemeinsamen Streben nach dem guten Leben können wir nämlich auch von unseren Nachbarkreisen lernen und von ihren Erfahrungen profitieren.

Ziel: Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergreifen

Ohne Zweifel kommen dem Klimaschutz sowie der Klimafolgenanpassung ein besonderer Stellenwert bei den Zielen nachhaltiger Entwicklung zu. Uns allen stehen noch die verheerenden Überschwemmungen und Verwüstungen von Ahr und Erft vor Augen, wie ganze Straßenzüge in den Abgrund gerissen wurden, und viele Menschen zu Tode kamen. Wir sehen auch die vielen Waldschäden im ganzen Land, verursacht durch Dürresommer. Global nehmen Extremwetterereignisse zu, die ganze Landstriche verwüsteten, Existenzen vernichten und Fauna und Flora unwiederbringlich zerstörten. Das sind die Auswirkungen der Klimakrise!

Meine Fraktion legt seit vielen Jahren einen besonderen Schwerpunkt auf den Klimaschutz. Und selbstverständlich haben wir hier als Region auch bereits Erfolge erzielt, wie es der Landrat in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltes auch betont hat. Allerdings gehört ebenso zur Wahrheit: Das Tempo bei der Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen muss deutlich erhöht werden. Ein Beispiel? Am 11. Juni 2019 beschloss der Kreistag das Klimaschutzkonzept des Kreises zu überarbeiten und es künftig alle fünf Jahre anzupassen. Seitdem sind fast vier Jahre vergangen und es gibt bislang nicht einmal einen ersten Entwurf dazu.   

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Zwischenzeit in einem wahrhaft historischen Urteil das Grundrecht auf Klimaschutz bzw. auf Schutz vor den Folgen der Klimakrise bestätigt. Ebenso hat es die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens mit seinem Urteil letztlich für verfassungsrechtlich verbindlich erklärt. Wir reden hier also nicht über die Ungeduld der Grünen Fraktion beim Klimaschutz, sondern über den verfassungsrechtlichen Anspruch der kommenden Generationen.

Am 08. September letzten Jahres hat uns Rainer Tippkötter in der Interfraktionellen Arbeitsgruppe Klimaschutz und Klimafolgenanpassung eindrucksvoll vor Augen geführt, wie weit wir im Kreis Borken noch vom Ziel der Energieautarkie und Treibhausgasneutralität entfernt sind. Es geht daher nicht darum, was wir bereits getan haben, sondern um das, was noch zu tun ist. Und nochmal: Das ist nicht die Meinung der Grünen Fraktion, das ist das Ergebnis der von ihnen in Auftrag gegebenen Potentialanalyse.

Wir erwarten daher, dass die Fortschreibung des Konzepts zum Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung jetzt zeitnah auf den Tisch kommt und wir die Handlungsoptionen zur Energie- und Verkehrswende konsequent umsetzen. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Pandemie und der Krieg bürden den nachfolgenden Generationen große Lasten auf. Sorgen wir dafür, dass die Folgen der Klimakrise nicht untragbar werden. Klimaneutralität bis 2035 muss auch das Ziel des Kreises Borken sein. Noch ist das Zeitfenster ein kleines bisschen geöffnet, noch sind die Kippunkte nicht erreicht, an denen die Erdtemperatur wichtige Grenzen überschreitet und die Folgen der Klimakrise nicht mehr beherrschbar sind.

Wir begrüßen daher, dass nach Startschwierigkeiten der Klimafonds des Kreises in diesem Jahr Fahrt aufnimmt. Die Installation von Batteriespeichern für bestehende Photovoltaikanlagen wird damit gefördert. Ein guter Schritt für den Klimaschutz. Wenn man allerdings den Blick in die Nachbarkreise wagt, so zeigt sich, wie verhalten wir vorgehen: In unserem Fördertopf sind 55.000 Euro plus nicht verausgabte Restmittel des letzten Jahres, im Kreis Steinfurt wird seit Jahren mehr als 100.000 Euro in den Klimafonds investiert und der Kreis Warendorf stellt nun sogar eine halbe Millionen Euro für die Förderung von 1000 Solardächern zur Verfügung.

Wir als Grüne Fraktion möchten der Mehrheit in diesem Haus daher zurufen: Denken sie beim Klimaschutz groß! Oder um es mit den Worten der wunderbaren Luisa Neubauer zu sagen: „In 2022, während sich Klimaschäden überschlagen und auch das hinterletzte Wirtschaftsinstitut warnt, dass nichts teurer ist, als Nicht-Handeln, ist es da so viel zu viel verlangt, dass man einfach mal aufhört den Leuten zu erzählen, dass das Problem beim Klimaschutz die Kosten sind?“

Ziel: Bessere Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft fördern

20 Prozent Ökolandbau bis 2030, so lautet ein Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Davon sind wir im Kreis Borken noch unglaublich weit entfernt. Mit der Förderung ökologischer Lebensmittel in Großküchen von Kitas, Schulen und der öffentlichen Verwaltung will die Bundesregierung den Absatzmarkt für die Biolandwirte vergrößern. Bislang allerdings haben Bioprodukte in der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) nur einen Anteil von 1,3 Prozent. Dabei hat die Bedeutung der Außer-Haus-Verpflegung vor der Corona-Krise stetig zugenommen: 40 Prozent der Lebensmittel werden in der Gemeinschaftsverpflegung verkonsumiert.

Leider war unser Vorstoß, den Kreis Borken zur Ökomodellregion zu machen, bislang beim Land NRW nicht erfolgreich. Aber hoffentlich klappt es dieses Jahr im zweiten Anlauf. Dabei muss aber auch klar sein, die Landesförderung von maximal 80.000 Euro wird für das Münsterland, das sich gemeinsam bewirbt, nicht ausreichen, um einen echten Schub auszulösen. Hier sind und bleiben wir als Region in der Pflicht, selbst aktiv zu werden.

Im letzten Jahr hat die Mehrheit unseren Antrag, Beratung für die Städte und Gemeinden bei der Vergabe von Außer-Haus-Verpflegung zu leisten, um den Anteil bio-regionaler und frischer Lebensmittel in Schulen, Kitas und Mensen zu erhöhen, abgelehnt. Eine solche konkrete Hilfestellung für die Ausschreibung von Gemeinschaftsverpflegung fanden sie unnötig. Die Lebenswirklichkeit im hat diese Entscheidung mittlerweile als falsch entlarvt: Städte wie Ahaus und Borken lassen Schulessen aktuell quer durchs Land fahren. 100.000de Schulessen werden nun jedes Jahr über tausende Kilometer in den Kreis gefahren, vor Ort aufgewärmt und den Schüler*innen vorgesetzt. Na dann: Guten Appetit!

Diesen Irrwitz des Transports von Schulessen quer durchs Land kann man keinem vernünftig denkenden Menschen erklären. Deshalb haben wir in diesem Jahr eine Anlaufstelle „Ernährungskoordination“ beantragt, die sowohl die Landwirtschaft als auch kreisangehörigen Städte und Gemeinden berät und unterstützt, um in den öffentlichen Kantinen auf den Einsatz regionaler und Biolebensmittel mit einem 50%igem Anteil hinzuwirken und die Ernährungsbildung an Schulen und Kindergärten zu fördern.

Ohnehin ist es so, dass immer dann, wenn wir konkret Geld in den Haushalt einstellen möchten, um die Landwirtschaft zu unterstützen, dass die Mehrheit dann ausfällt. Der Landrat vorweg erklärt zwar gerne wortreich seine Unterstützung für Landwirt*innen, aber wenn wir wie hier konkrete Unterstützung bei regionaler Vermarktung oder auch wie im vergangenen Jahr Ausgleich für Schaden durch Saatkrähen beantragen, dann mag die Mehrheit den Worten keine Taten folgen lassen.

Das gilt auch bei der von uns beantragten Förderung von Wildblumenwiesen an Stelle von Bioenergie-Mais. Gleichzeitig Ökostrom erzeugen und Insekten sowie Niederwild einen Lebensraum bieten. Dass dies möglich ist, zeigt der Nachbarkreis Steinfurt seit zwei Jahren. Landwirt*innen erhalten eine Förderung, wenn sie für die Verwertung in Biogasanlagen an Stelle von Mais Wildpflanzen anbauen. Während im Kreis Steinfurt die Landesumweltministerin – wohlgemerkt noch von der CDU – kommt und das Projekt als nachahmenswert würdigt, wird es im Kreistag Borken abgeschmettert. Hier setzt die Mehrheit darauf, dass die Landesregierung im kommenden Jahr etwas Vergleichbares anbietet. Die Idee, dass wir in diesem Jahr schon mal starten können, erscheint ihnen offensichtlich abwegig. Ganz prima für die heimische Landwirtschaft!

Ziel: Bezahlbarer Wohnraum für alle

Es ist unbestreitbar: im Kreisgebiet fehlen für Normal- und Geringverdiener bezahlbare Wohnungen. Die Wohnungsmarktlage ist in Teilen des Kreises Borken, insbesondere im unteren Mietpreissegment, sehr angespannt. Ein Thema, das auch dem Ministerpräsidenten ins Auge gefallen ist. Hendrik Wüst hat – so der WDR – Lösungen angekündigt für Probleme, bei denen auf die CDU in den Augen vieler Wählerinnen und Wähler bisher kein Verlass war. Zum Beispiel eben für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. „Neue Antworten“ müsse die CDU hier geben, findet Wüst. Landrat und CDU in diesem Kreistag finden, man sei dafür nicht zuständig. Und das obwohl in vielen anderen Regionen des Landes Kreise und kreisangehörige Kommunen gemeinsam an der Verbesserung der Wohnraumsituation arbeiten. Es ist also durchaus möglich, man muss es nur auch wollen!

Der Blick in die lokalen Zeitungen macht deutlich, wie dringend hier Handlungsbedarf besteht. Es gibt keine Zeitung im Kreis, die nicht Geschichten von Menschen veröffentlich hat, die für sich und ihre Familien im Kreis bezahlbarer Wohnungen suchen und keine finden. Und wenn es Angebote gibt, ist die Zahl der Bewerber*innen dafür so groß, dass gerade die Schwächsten immer wieder das Nachsehen haben. Ein Familienvater sagte kürzlich den Westfälischen Nachrichten, er befürchte samt seiner Familie unter einer Brücke einziehen zu müssen.

Manchmal sorgen die Kommunen selbst für Wohnungsnot. So kündigte die Stadt Gronau einer syrischen Familie mit vier Kindern die Unterkunft. Als die Mutter sich hilfesuchend an Bürgermeister Doetkotte wandte, bedauerte dieser, nicht helfen zu können und der verzweifelten Frau laut den Westfälischen Nachrichten mit auf den Weg: „Manche Wünsche seien eben unrealistisch. Und manchmal erfordere die Situation eben, dass Wohnungssuchende in eine benachbarte Kommune ziehen.“ So kann man das Problem von fehlendem Wohnraum natürlich auch lösen: den Betroffenen sagen „suchen sie halt woanders!“ Oder man macht es wie der Landrat und zeigt sich ob des Vorschlags eines Masterplans Wohnen schlicht „Entsetzt!“

Ich hoffe sehr, dass viele Menschen im Kreis von diesen „neuen Antworten“ der CDU bis zum 15. Mai auch erfahren!

Ziel: Mobilität sichern – Umwelt schonen

Die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs ist ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Verkehr der Zukunft bedeutet, verstärkt verschiedene Verkehrsmittel zu nutzen und Verkehrsmittel nach Möglichkeit zu teilen, statt sie zu besitzen. Hier wollen wir die Weichen stellen, für schnelle Verbindungen zwischen den Städten und Gemeinden, on-demand Verkehre vor Ort und einer verbesserten Vernetzung von Bus, Rad und Schiene.

Seit vielen Jahren sind wir als „fahrradfreundlicher Kreis“ gelabelt. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen, sondern müssen unser Radwegenetz weiter optimieren und an die gestiegenen Anforderungen mit einem besonderen Blick auf Pendlerverbindungen, Anbindungen an die Nachbargemeinden und ÖPNV Verbindungspunkte anpassen. Wir haben daher vorgeschlagen, eine*n Radverkehrsbeauftragte*n für den Kreis Borken in der Kreisverwaltung zu benennen, aber auch das ist am Widerstand der Mehrheit gescheitert. Die CDU im Nachbarkreis Steinfurt sieht das ganz anders und hat einen gleichlautenden Antrag jüngst beschlossen.

Den ÖPNV wie auch den Individualverkehr wollen wir möglichst nachhaltig gestalten. Dafür möchten wir im Kreis eine gute Infrastruktur für E-Mobilität schaffen. Daher begrüßen wir es, dass es nun endlich zu einem Sinneswandel in der Verwaltung gekommen ist und die Fixierung auf Dieselbusse im ÖPNV abgelegt wurde. Die Linie R76/77 soll künftig elektrisch verkehren. Das kann jedoch nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen den Ausbau von Ladeinfrastruktur, um weitere Linien auf den E-Betrieb umstellen zu können. Wie es im Übrigen die Clean-Vehicle-Richtline der Europäischen Union auch vorschreibt. Von deren Zielvorgaben sind wir auch mit den drei nun geplanten E-Bussen noch sehr weit entfernt. Genauso ist es für uns im Übrigen Selbstverständlich, dass der Kreis bei der Ersatzbeschaffung von PKWs mit gutem Beispiel vorangehen und E-Fahrzeuge anschaffen muss. 

Der Landrat gab sich bei seiner Haushaltseinbringung überzeugt, dass wir auch in Zukunft vor allem Individualverkehr haben werden. Da hört sich die Stärkung des Umweltverbundes aus Bus, Bahn und Rad wie ein notwendiges Übel an. Dabei wollen viele Bürger*innen immer häufiger ihre Ziele schnell mit dem ÖPNV erreichen und gern den motorisierten Individualverkehr durch den Bus oder das Fahrrad ersetzen. Ahaus hat gerade das 1-Euro Ticket für den Bus eingeführt, in Bocholt fahren die Busse samstags sogar kostenfrei und Gronau hat als erste Stadt im Kreis ein on-demand Angebot umgesetzt. Diese Beispiele zeigen: es ist möglich, Verkehr auch in der Fläche neu zu denken.

Derweil machen Landrat und Mehrheit im Kreistag nur das Nötigste: Bei der SchnellBus-Linie X 80, also dem Baumwollexpress, lehnte es der Kreistag ab, von vornherein mit einem attraktiven Linienverlauf und Bedienungsangebot zu starten. Nämlich mit eben jenen Eckdaten, die Verwaltung und Mehrheitsfraktion selbst im Rahmen der Förderanträge für die Linie zu Grunde gelegt hatten.

Die Ablehnung des sachlich Richtigen erfolgte dabei aus dem gleichen Grund, aus dem Sie im Rahmen der Haushaltsberatungen auch die Förderung des AzuBi-Tickets abgelehnt haben. Alternative Mobilitätsangebote genießen bei Landrat und Mehrheit nicht den Stellenwert des motorisierten Individualverkehrs. Und daher sind sie auch nicht bereit dafür ausreichend Haushaltmittel bereitzustellen! Wenn man bedenkt, dass das Verkehrsbudget im Haushalt allein aufgrund der Einnahmen aus der Verkehrsüberwachung mit einem fetten Plus abschließt, ist das Ganze umso weniger nachvollziehbar. Wenn obendrauf dann Sätze fallen wie „20 Euro im Monat sind für AzuBis doch kein Geld“, wird es zum Hohn. Und wenn man Schlussendlich bedenkt, dass sich die Haushaltslage des Kreises zwischen der Einbringung des Haushaltes im Dezember und der Verabschiedung heute um gut 4 Millionen Euro verbessert hat, dann ist das wiederum ein Punkt, den man keinem vernünftigen Menschen da draußen erklären kann.

Ziel: Städte und Gemeinden nachhaltig gestalten

Ehrenamt wird im Kreis Borken großgeschrieben. Das Ehrenamt hat eine enorme Bedeutung und in vielen Bereichen würde es ohne Ehrenamtliche und deren Unterstützung traurig aussehen. Ihnen gebührt unser ganzer Dank! Durch ihren persönlichen Einsatz ermöglichen sie es, dass unser Miteinander in Gesellschaft für karitative wie sportliche Belange, bei der Integration von geflüchteten Menschen, beim Tier- und Umweltschutz trotz aller Widrigkeiten so gut funktioniert. Man stelle sich vor, wir hätten keine freiwilligen Feuerwehren mehr, kein Technisches Hilfswerk usw. Würde unser Gemeinwesen ohne die vielen Ehrenamtler*innen überhaupt funktionieren?

Daher haben wir beantragt, das auch der Kreis das Ehrenamt noch stärker fördert. Mit einer kreisweiten digitalen Plattform, die Freiwillige und Hilfebedarfe zusammenbringen soll. Mit einer Würdigung am „Tages des Ehrenamtes“, dem 5. Dezember, und mit der Einführung eines Ehrenamtspreises für den Kreis Borken, welcher Personen, Projekte und Initiativen aus dem Kreisgebiet für ihr Engagement öffentlich würdigt und somit auch das Bewusstsein der Bürger*Innen für ein gemeinschaftliches Zusammenleben stärkt. Dieser Antrag ist noch nicht entschieden, sondern wird in der kommenden Sitzung des Sozialausschusses erneut aufgerufen. Wir hoffen hier auf eine breite Unterstützung durch alle Fraktionen wie auch durch die Kreisverwaltung.

Eine letzte Bemerkung zum Abschluss: Ich hatte während der Haushaltsberatung wiederholt den Eindruck, dass der Mehrheit die Anträge der Opposition an verschiedenen Stellen eher als lästig aufgestoßen sind. Das mag daran gelegen haben, dass CDU und FDP es zusammen nicht einmal auf einen Haushaltsantrag gebracht haben. Und es steht ihnen ja auch frei, den Entwurf so zu bewerten, dass er an keiner Stelle mehr zu verbessern ist. Aber es ist umgekehrt sicher auch keine Zumutung, wenn meine Fraktion zu einem Zahlenwerk mit einem Umfang von mehr als 600 Millionen Euro 14 Änderungsanträge stellt. Diese können sie selbstverständlich auch ablehnen, dass ist ihr gutes Recht. Was jedoch aus meiner Sicht nicht in Ordnung ist, ist die Anträge der Opposition als „lächerlich“, „Showantrag“, „ins Blaue hinein“ zu bezeichnen oder sich gar „entsetzt“ darüber zu zeigen. Auch Kommunalpolitik ist Ehrenamt und man kann die Meinung des Gegenübers zumindest insoweit respektieren, dass man sich ernsthaft mit ihr auseinandersetzt. Das war im Rahmen dieser Haushaltsberatungen in einigen Ausschüssen stark verbesserungsfähig.

Ich will dabei auch gar nicht in Abrede stellen, dass auch wir gelegentlich anstrengend für Mehrheit und Verwaltung sein können und daher bedanke ich mich über die überwiegend doch gute Zusammenarbeit mit Ihnen und Euch allen im vergangenen Jahr. Ich hoffe, dass wir dies im vor uns liegenden Jahr sogar noch besser fortsetzen können. Insbesondere möchte ich mich bei den Kolleg*innen von SPD und UWG/Stadtpartei bedanken, die sich im Rahmen der Haushaltsberatungen mit uns wiederholt gemeinsam ausgetauscht haben, was in der Folge zu einer Reihe gemeinsamer Haushaltsanträge und einer deutlich verbesserten Zusammenarbeit geführt hat. Einzelne Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.

In diesem Sinne möchte ich Schließen mit dem Apell an den gesamten Kreistag, die selbstauferlegte Verpflichtung, sich in der weiteren Entwicklung unseres Kreises an den Deutschen Nachhaltigkeitszielen zu orientieren, in Zukunft mit mehr Leben zu füllen. Wir werden Sie in den anstehenden Debatten beispielsweise zur Fortschreibung des Kompasses 2025, des Klimaschutzkonzeptes oder auch der Pflegebedarfsplanung daran messen.

Ich danke für Eure und Ihre Aufmerksamkeit.

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